Artikel: Zeitschrift des Hospizvereins Bornheim 2007, “Tiere am Krankenbett” (Sabine Patrzek)
Tiere am Krankenbett … oder sogar Sterbebett !?
Am 10. Januar 2007 hatte der Hospizverein zum monatlichen Treffen der Ehrenamtlichen Frau Ulrike Sänger als Referentin zum Thema „Tiergestützte Begleitung in der Hospizarbeit“ eingeladen. Wer bislang glaubte, Tiere seien von einem Kranken oder Sterbenden schon aus hygienischen Gründen fernzuhalten, wurde eines besseren belehrt und von der heilsamen Wirkung einer Begegnung zwischen Mensch und Tier überzeugt.
Frau Sänger bildet seit 10 Jahren Schutzhunde aus. Hauptberuflich arbeitet sie, als staatlich anerkannte Heilpädagogin, seit vielen Jahren in der Kinder- und Jugendpsychiatrie. Ihre Auseinandersetzung dabei mit dem Thema verbaler und körperlicher Gewalt und den Methoden zur Deeskalation führte dazu, dass Sie sich noch intensiver mit Hunden und Ihrer Körpersprache auseinandersetzte.
Hunde verfügen als Rudeltiere nämlich über ein sehr reiches Repertoire an so genannten Beschwichtigungssignalen:
- eine ritualisierte Körpersprache die vor allem dazu dient, Aggression überflüssig zu machen.
Ihre Schäferhündin Hezhra, die sich als zu sanft für die Schutzhundeausbildung erwies, stellte die weiteren Weichen: Frau Sänger suchte nach einer sinnvollen und passenden Aufgabe für Hezhra und ließ sie in München zur Therapiebegleithündin ausbilden.
Erstes Pilotprojekt war dann ein regelmäßiger Besuchsdienst mit Hezhra im stationären Hospiz am Waldkrankenhaus in Bad Godesberg. Darüber hinaus war Hezhra bei autistischen Kindern und Schlaganfallpatienten erfolgreich im Einsatz. Die zahlreichen positiven und oftmals sehr bewegenden Erfahrungen wollte Frau Sänger an andere Menschen weitergeben und sie dazu ermuntern, ihre Tiere in der Begleitung von Kranken und Sterbenden einzusetzen.
Dies führte zum zweiten Pilotprojekt: Seit Anfang diesen Jahres bereitet Frau Sänger vier Ehrenamtliche des Hospizvereins Bonn für den Einsatz mit Ihren Hunden im Hospiz vor.
Oberste Priorität hat für sie bei jedem Einsatz von Tieren das Motto:
- Tiergestützte Begleitung = Tiergeschützte Begleitung !
Das Tier muss sich im ganzheitlichen Sinne wohl fühlen. Für den Alltag des eingesetzten Tieres ist eine artgerechte Haltung, gesunde Fütterung und liebevolle Pflege deshalb Grundvoraussetzung. Von einem gestressten nicht an Leib und Seele gut versorgten Tier kann kein heilender Impuls ausgehen.
Wem als tierische Helfer nur Blindenhunde, Rettungshunde und vielleicht noch Pferde beim therapeutischen Reiten einfielen, der konnte während des Vortrages staunen, wer da noch so alles im Einsatz ist. Deutschland ist diesbezüglich übrigens noch etwas rückständig. In den USA und der Schweiz ist der Einsatz von Tieren bereits wesentlich alltäglicher.
Ein paar Beispiele:
- Hunde als Assistenten von behinderten Menschen, die nicht nur Türen öffnen, Lichtschalter betätigen sondern auch beim Anziehen helfen und natürlich als Freund fungieren.
- Signalhunde, die Diabetikern eine Unterzuckerung signalisieren oder Epileptikern einen bevorstehenden Anfall anzeigen, damit sich der Betroffene hinsetzen oder -legen und Hilfe rufen kann. Das Unfallrisiko wird dadurch gesenkt und der Betroffene gewinnt an Bewegungsfreiheit.
- Katzen, Kleinnager, Vögel oder Fische als Haustier in Altenheimen, Kinderheimen oder Behinderteneinrichtungen
- Aquarien in Wartezimmern von Ärzten, um die Wartenden zu beruhigen
- Ziegen, Schafe, Hühner und andere Nutztiere in Fürsorgebauernhöfen; auch z.B. bei Resozialisierungsmaßnahmen Straffälliger oder Suchtpatienten
- Besonders wertvoll ist der Einsatz von Tieren bei Menschen, denen die Möglichkeiten zur verbalen Kontaktaufnahme nicht mehr möglich ist (Demenz, Alzheimer, Komapatienten, Sterbende)
Bei den Verantwortlichen sind Ängste bezüglich der Hygiene oft sehr groß. Dem gegenüber steht ein sehr geringes tatsächliches Ansteckungsrisiko. Es gibt relativ wenige Krankheiten, die vom Tier auf den Menschen und umgekehrt übertragbar sind. Das verbleibende Risiko kann durch sehr simple Hygienemaßnahmen nochmals verringert werden.
Es ist wie schon gesagt, selbstverständlich, dass nur ein rundum gesundes Tier zum Einsatz kommt. Das bedeutet auch, dass das Tier regelmäßig gegen innere und äußere Parasiten vorbeugend behandelt wird und geimpft ist. Das Tier ist von Lebensmitteln fernzuhalten, nur mit einem Extralaken auf das Bett zu setzen und Kontakt mit den Mundschleimhäuten sollte vermieden werden.
Bei einigen wenigen Krankheitsbilder sollte auf Kontakt mit Tieren verzichtet werden: Asthma, Allergien, Tierphobien, immunsupprimierende Krankheiten wie AIDS, schwere Neurodermitis.
Frau Sänger rundete den sehr lebendigen und anschaulichen Vortrag mit bewegenden Beispielen aus der Praxis ab. Gerade dadurch wurde klar, dass es – wenngleich nicht immer wissenschaftlich erklärbar – bei den Begegnungen zwischen Mensch und Tier zu einem inneren Dialog auf den tieferen Schichten des Seins kommt.
Gerade Menschen in schwierigen Lebenssituationen öffnen sich leichter einem Tier gegenüber und fühlen sich von einem Tier ohne Wenn und Aber akzeptiert. Diese Erfahrung hilft ihnen sich selbst und ihre Situation, Krankheit, Einschränkung etc. leichter zu akzeptieren und neuen Lebensmut zu schöpfen. Schlummernde Selbstheilungskräfte werden dadurch wieder aktiviert. Tierliebhaber fühlten sich durch das Gesagte in ihren eigenen Beobachtungen bestätigt. Für Zuhörer, die bislang wenig mit Tieren zu tun hatten, ergab sich ein ganz neues Bild von unsern Mitgeschöpfen.
Da ich selbst schon seit längerer Zeit den Wunsch habe, meinen acht Jahre alten Labrador Retriever, Pico, bei meiner Arbeit als Ehrenamtliche einzusetzen, meldete ich mich im Anschluss an den Vortrag gleich zu einer Fortbildung bei Frau Sänger an. Durch ihre Hilfe und tatkräftige Unterstützung ist nun bereits für dieses Frühjahr geplant im Alten-und Pflegeheim St. Elisabeth in Oedekoven einen regelmäßigen Besuchsdienst mit Pico für schwerkranke, bettlägerige Bewohner einzurichten. Hierzu gibt es dann vielleicht schon im nächsten Hospizbrief Neuigkeiten….
Hunde haben alle guten Eigenschaften der Menschen,
ohne gleichzeitig ihre Fehler zu besitzen.
Friedrich der Große